„Wir freuen uns über die Einladung zu einer Diskussion zum Thema Baugebiete in Isling und nehmen diese selbstverständlich an“, sagte Dr. Susann Freiburg, Vorsitzende der Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und Direktkandidatin für die Landtagswahl, bei einer Sitzung mit ihrer Fraktion. Diskutiert wurde unter anderem ein Pressebericht im Obermain-Tagblatt vom 4. Juli, in dem die Wählervereinigung Leuchsental-Jura (WLJ) Dr. Freiburgs Ausführungen zum Baugebiet in Isling bei der DGB-Podiumsdiskussion am 28. Juni kritisiert hatte.
Seit November 2019 meldet der Stadtrat Jahr für Jahr siebenstellige Bedarfssummen an die Städtebauförderung für die seit September 2019 bestehende Förderinitiative „Innen statt Außen“. Laut Auskunft der Regierung von Oberfranken hat sich die Stadt Lichtenfels zum Ziel der Innenentwicklung mit einem Selbstbindungsbeschluss verpflichtet. Bei zukünftigen Fördermaßnahmen werden die Fördervoraussetzungen für eine ISA-Förderung natürlich geprüft, eine Entwicklung außen vor dem Hintergrund der Innenentwicklungsziele diskutiert.‘ Oder anders ausgedrückt: Hält sich die Stadt nicht an ihre eigenen Beschlüsse, droht das Ende der Förderung“, erläuterte Dr. Freiburg. Am 09.09.2019 fällte der Lichtenfelser Stadtrat einstimmig einen Grundsatzbeschluss, wonach der Weg der vorrangigen Innenentwicklung und der Nutzung und Umnutzung bestehender Bausubstanz, wie zum Beispiel für die Wohnraumbeschaffung, bekräftigt wird. Eine vorrangige Nutzung von innerörtlichen Brachflächen und Gebäudeleerständen wird seither zumindest auf dem Papier angestrebt.
Ihr Fraktionskollege Siegbert Koch erinnerte an die letzte Stadtratssitzung vom 12. Juni, in der die Fortschreibung des Baulücken- und Leerstandskatasters vorgestellt wurde. „Laut der Sitzungsunterlage gab es zum Jahreswechsel 22/23 im Stadtgebiet 480 leerstehende Wohngebäude. Das sind 60 Prozent mehr als 2020!“, so Koch. Darüber hinaus verwies er auf 877 Wohngebäude, in denen nur eine Person wohne, die meist höheren Alters sei. Außerdem gab es, entgegen der Behauptungen der WLJ, nicht nur zwei vollerschlossene und sofort bebaubare Grundstücke, sondern 513. Diese Zahl bekamen scheinbar nicht alle Räte mit, obwohl sie deutlich aus den Sitzungsunterlagen hervorgeht. „Es gibt also in der Stadt mehr als genug Gebäude und bebaubare Grundstücke. Hier sollte für jeden Geschmack und für jeden Geldbeutel etwas dabei sein, damit sich die oft zitierte junge Familie ihren Traum vom Eigenheim erfüllen kann!“, betonte Koch.
Betrachtet man sich die Statistik genauer, wurden zwischen 2014 und Ende 2022 insgesamt 237 neue Einfamilienhäuser genehmigt. Diese Zahl ins Verhältnis gesetzt zu den vorhanden voll erschlossenen 513 Baugrundstücken lässt den Schluss zu, dass nach aktuellem Stand für die nächsten 16 Jahre genügend Baufläche vorhanden ist -auch ohne die 15 Parzellen in Isling!
Überhaupt sei die „junge Familie“, die sich ihr Häuschen bauen wolle, oft wohl nur vorgeschoben. „Vielleicht sollten wir einmal nachfragen, wer denn die Häuser tatsächlich baut? Sind auch Investoren darunter, die ihre Häuser dann für viel Geld an jene jungen Familien vermieten?“, fragte Koch. „Letztendlich ist auch festzustellen, dass in fast allen neuen Baugebieten sich die Bauherren oftmals nicht an die naturschutzrechtlichen Auflagen halten“ monierte Dr. Schmidt. So werden die im Bebauungsplan vorgeschrieben Hecken und Bäume nicht gepflanzt.
Dr. Susann Freiburg mahnt ein gutes Leerstandsmanagement an. „Wir müssen verhindern, dass die aktuellen und künftigen Leerstände verfallen. Soll aus unserem schönen Lichtenfels künftig eine Ruinenlandschaft werden? Sollen weitere Brachen in der Korbstadt entstehen?“
„Vor diesem Hintergrund droht viel Leerstand, aber nicht ernsthaft die Abwanderung“, betonte Dr. Christine Schmidt, die zudem auf die hohen Kosten, die bei einer Erschließung für den Steuerzahler entstehen.
Im Vermögenshaushalt 2023 werden 650.000 Euro für die Erschließung der Baugebiets mit 15 Parzellen angesetzt. Folgekosten für den Unterhalt sind dabei nicht beinhaltet. Angesichts der Ausgaben für das FADZ, eine Bibliothek, ein Schulhaus in Roth, die Erweiterung des Franziskuskindergartens, den Radweg zwischen Klosterlangheim und Roth, den Ausbau des Hochwasserschutzes, schöne neue Spielplätze, etc. ist das eine Summe, die sich die Stadt sparen könne. „Dieses Geld und die Planungszeit sind besser investiert in den Aufbau einer Immobilienbörse. Damit können wir etwas Konkretes unternehmen, um deutlich mehr als 15 Bauwilligen zu helfen, ihr Eigenheim zu finden!“, so Mathias Söllner. Einen entsprechenden Antrag behalten sich die Grünen vor.
Dritter Bürgermeister Mathias Söllner brachte schließlich den Klimaschutz in die Diskussion ein. „Im Jahr 2021 wurden Tag für Tag laut dem Bayerischen Landesamt für Statistik 10,3 Hektar Boden im Freistaat Bayern versiegelt. Das entspricht etwa 15 Fußballfeldern“, sagte Söllner und zog eine niederschmetternde Bilanz: „Hier ist das Bayern des Herrn Söder und der CSU wirklich spitze in Deutschland!“ Durch die Versiegelung werde es immer schwieriger, das Wasser in der Fläche zu halten. Dies sei angesichts der Dürre und der zu erwartenden Starkregenereignisse – die uns durch den vom Menschen verursachten Klimawandel beschert werden – keine erstrebenswerte Aussicht, so Söllner.
„Wir sollten unsere gemeinsame Fraktionssitzung in Isling abhalten, wo es viele Baulücken gibt, zum neuen Baugebiet gehen und den Abend bei einem gemeinsamen Abendessen am Kohlbauerplatz ausklingen lassen.“ Zumindest beim letzten Punkt dürften sich Grüne und WLJ einig sein.