Kompetent und schlagfertig bei Podiumsdiskussion
Tariftreue bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen, eine sozialverträgliche Energiewende sowie Gesundheit und Pflege – diese drei Themen standen im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion, zu welcher der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Landtagskandidatinnen und -kandidaten des Stimmkreises Kronach-Lichtenfels ins Gasthaus Wallachei in Lichtenfels geladen hatte. Leider waren nur vier der fünf geladenen Bewerberinnen und Bewerber um das Direktmandat der Einladung der Gewerkschaft gefolgt. Der CSU-Landtagsabgeordnete Jürgen Baumgärtner hatte trotz einer sitzungsfreien Woche andere Termine, die ihm wichtiger erschienen als ein Austausch mit seinen Mitwerbern und den Arbeitnehmervertretern der Region.
Es wurde aber auch ohne den Christsozialen, der vor fünf Jahren mit 43,11 Prozent der Stimmen das Mandat gewonnen hatte, ein informativer Abend in der Lichtenfels Traditionsgaststätte.
Etwa 30 Interessenten erlebten eine sehr gut aufgelegte Landtagskandidatin von Bündnis 90/Die Grünen: Dr. Susann Freiburg, die einzige Lichtenfelserin des Quartetts, überzeugte die anwesenden Gewerkschaftler- und Gewerkschaftlerinnen nicht nur mit Kompetenz, sondern auch mit Schlagfertigkeit und Souveränität. Dabei gaben auch ihre drei Mitbewerber – Sabine Gross (SPD), Michael Zwingmann (Freie Wähler) und Oliver Ramm (FDP) – interessante Standpunkte zum Besten.
Doch am überzeugendsten präsentierte sich die Lokalmatadorin. Bereits bei der ersten Sachfrage des eloquenten Moderators und katholischen Betriebsseelsorgers Norbert Jungkunz wusste die Lichtenfelser Stadt- und Kreisrätin mit ihrem Fachwissen viele der Anwesenden zu überzeugen. So stellte die gelernte Friseurin und promovierte Juristin klar, dass Bündnis 90/Die Grünen als einzige Partei im Freistaat mit dem bereits eingebrachten, jedoch vom Landtag abgelehnten Vergabegesetz auf einer Linie mit dem vom DGB geforderten Faire-Löhne-Gesetz liegen.
Grüne wie Gewerkschaft fordern nämlich mit fast dem selben Wortlaut, dass öffentliche Aufträge nur noch an solche Unternehmen vergeben werden, die ihre Mitarbeitenden nach Tarif bezahlen. Weitere gemeinsame Vergabekriterien sind unter anderem die Bevorzugung regionaler Unternehmen, nachhaltige und ökologische Kriterien, Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten sowie Beratung für Kommunen und Unternehmen. Vorbild für dieses Gesetz ist und Berlin.
„Doch leider sind wir vor zwei Wochen die einzige Fraktion im Bayerischen Landtag gewesen, die für unseren Entwurf gestimmt hat. Die Freien Wähler lehnten das Gesetz unter anderem mit den Worten ab, dass ein Gesetz aus Berlin doch nicht für Bayern gelten könne. Und die SPD enthielt sich und verglich die Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten mit einer ,Bazooka‘, also einer Art Panzerfaust“, erinnerte Dr. Freiburg an die Landtagssitzung von Mitte Juni. „Wer Tarifflucht begeht, darf nicht von öffentlichen Aufträgen profitieren“, fasste die Grüne den Standpunkt ihrer Partei zusammen.
Auch zum Thema einer sozialverträglichen Energiewende wusste die vierfache Mutter aus Lichtenfels zu überzeugen. „Die erneuerbaren Energien sind unsere Zukunftsenergien“, betonte Dr. Freiburg und verwies dabei auf die Kronacher Kommunen Ludwigsstadt, Steinbach am Wald und Tettau. Diese hätten verstanden, dass die Windkraft in der ländlichen Region riesige Chancen für Bürger, Kommunen und Unternehmen biete. Deswegen sei ein Windpark mit 15 Windrädern entstanden, von denen vier in kommunaler Hand seien. Mit den Windrädern werde nicht nur die örtliche Glasindustrie mit günstigem Ökostrom versorgt. Das Geld, das die Kommunen mit der Windenergie verdienten, komme auch den Bürgerinnen und Bürgern zu Gute, sei es durch eine kommunal bezahlte Krankenschwester, sei es mit einem Freibad, so die Grüne Politikerin.
Ein weiteres Thema bei der Kandidatenrunde war der Komplex Gesundheit und Pflege. Auch hier hatte Dr. Susann Freiburg Lösungen parat, die ganz nah an den Vorschlägen des Deutschen Gewerkschaftsbundes liegen. Weg von den Fallpauschalen, hin zu den Vorhaltekosten, lautete einer ihrer Vorschläge, der sich an der aktuellen Krankenhausreform der Bundesregierung orientierte. Eine solche sei notwendig, schließlich seien aktuell 20 Prozent aller Krankenhäuser von der Insolvenz bedroht, hauptsächlich durch Inflation, Energiepreisanstieg und Fachkräftemangel. Deswegen müsse man sich wohl davon verabschieden, so Dr. Freiburg weiter, dass künftig ein Klinikum alle Leistungen anbieten könne. So lange es aber in der Nähe weitere Kliniken gebe, welche sich auf bestimmte Behandlungen spezialisiert haben, bleibe die gute Gesundheitsversorgung bestehen oder werde sogar verbessert. „Ich lasse mich lieber von einem erfahrenen Spezialisten behandeln als von einem Arzt, der es nur mit zwei oder drei Erkrankungen wie der meinen im Jahr zu tun hat“, so die Kandidatin.
Emotional wurde die Lichtenfelser Stadt- und Kreisrätin, als aus dem Publikum die Frage nach dem Flächenfraß gestellt wurde. „Angesichts von hunderten leerstehenden Häusern in Lichtenfels sind bei uns in der Stadt keine neuen Baugebiete nötig!“, sagte sie. Sie monierte, dass der Lichtenfelser Stadtrat trotz seines eigenen Beschlusses, die Förderinitiative „Innen statt Außen“ zu berücksichtigen – dank welcher Lichtenfels hohe Zuschüsse von der Städtebauförderung erhält –, ein Baugebiet im Ortsteil Isling ausgewiesen hat. Aber nicht nur weitere Baugebiete, auch neue Gewerbeflächen seien nicht nötig, zumal in den aktuellen noch genügend Grundstücke vorhanden seien. „Wenn wir die Kommunalfinanzen reformieren – also den Städten und Gemeinden mehr Geld von der Umsatzsteuer zukommen lassen – müssen diese keine weitere Gewerbeflächen erschließen in der Hoffnung auf steigende Gewerbesteuereinnahmen!“, folgerte die Juristin.
Als letzten Punkt dieses Themenbereichs kritisierte sie den Bau weiterer Straßen im Freistaat Bayern, dem Bundesland mit dem dichtesten Straßennetz bundesweit. „Das Geld für den Bau der B173 wäre besser angelegt in einer Elektrifizierung der Bahnstrecke nach Bayreuth und Hof!“, sagte sie unter dem Applaus zahlreicher Anwesender.